Das Tierarzneimittelgesetz (TAMG) wurde geschaffen.

Es ist gültig ab 28. Januar 2022, mit teilweise drastischen Änderungen

Bisher waren Arzneimittel für Tiere im Arzneimittelgesetz (AMG) mit erfasst. Das soll sich nun ändern.

Auf den Seiten des GMP Verlages ist zu lesen:
„Am 24. Juni 2021 hat der Bundestag den Entwurf des neuen deutschen Tierarzneimittelgesetzes (TAMG) zur Annahme beschlossen (Drucksache 19/31069). Am 25. Juni folgte der Bundesrat diesem Entscheid. Das neue Gesetz basierend auf der EU-Verordnung (EU) 2019/6 wird analog dazu zum 28. Januar 2022 in Kraft treten.
Zu diesem Zeitpunkt wird die europäische Tierarzneimittel-Richtlinie EU 20021/82/EG abgelöst. Tierarzneimittel in Deutschland werden dann unabhängig vom Arzneimittelgesetz (AMG) reguliert werden.
Die Verabschiedung erfolgte unter Zeitdruck gerade fünf Monate nach Vorlage eines ersten Entwurfs. Dies wurde bereits im Vorfeld von der Tierärzteorganisation scharf kritisiert, da ein inhaltlicher Diskussionsprozess als dringend notwendig gesehen wurde.
Das Arzneimittelgesetz wurde bereits entsprechend angepasst und vom Bundestag beschlossen. Die Änderungen am AMG (17. Novelle) werden ebenfalls am 28. Januar 2022 in Kraft treten.“

Das AMG erfasst dann nicht mehr die Tierarzneimittel. Statt dessen gilt ab 28.01.2022 das TAMG, welches in Ausschüssen, Landwirtschaftsorganisationen, bei Tierärzten und Tierheilpraktikern „heiß“ diskutiert wird.

Definition Arzneimittel

Arzneimittel sind laut Bundesministerium für GesundheitStoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die zur Anwendung im oder am menschlichen oder tierischen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind oder die im oder am menschlichen oder tierischen Körper angewendet oder einem Menschen oder einem Tier verabreicht werden können, um entweder die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen.“

Ist das Arzneimittel für ein Tier zugelassen, spricht man von einem Tierarzneimittel.
Somit sind alle Stoffe, die mit einem „Heilzweck“ und zur Linderung oder Verhütung von Krankheiten angeboten werden, Arzneimittel. Dies gilt auch für Kräuter und Blutegel.

Was gilt bisher?

Zu beachten ist, dass Tierheilpraktiker (THP) vor dem Gesetz als Laien gelten und betrachtet werden wie Tierhalter. Einschränkungen für den Tierhalter gelten somit auch für den THP.
Die Abgabe von Arzneimitteln an den Endverbraucher war schon immer streng geregelt. Die weitaus meisten Arzneimittel dürfen nur von Apotheken an den Endverbraucher abgegeben werden. Damit soll eine fachkundige Beratung der Verbraucher sichergestellt werden. In Deutschland können Arzneimittel, je nach Abgabeerlaubnis, in vier Gruppen eingeteilt werden:

  • 1.) Freiverkäufliche Arzneimittel sind nicht apothekenpflichtige Arzneimittel.
    Sie dürfen auch außerhalb von Apotheken verkauft werden (apothekenfrei). Freiverkäufliche Arzneimittel dienen der Selbstbehandlung bei einfachen Befindlichkeitsstörungen. Diese Arzneimittel werden u.a. auch in Drogerien, Reformhäusern, Supermärkten, Kräuterläden, Zoohandlungen, auf Messen oder im Lebensmitteleinzelhandel verkauft. Sie sind nicht zu verwechseln mit Lebens- und Futtermitteln oder diätischen Nahrungs- und Futtermitteln sowie Pflege- oder Kosmetik­artikeln.
    Abgabe freiverkäuflicher Arzneimittel:
    Gibt der THP freiverkäufliche Arzneimittel an den Tierhalter ab (wie Kräuter im Rahmen der Phytotherapie), benötigt er zwingend einen entsprechenden Sachkundenachweis und muss sich an die Abgabe- und Aufbewahrungsbestimmungen halten.
  • 2.) Apothekenpflichtige Arzneimittel
    Arzneimittel sind in Deutschland – von wenigen Ausnahmen abgesehen (= frei verkäufliche Arzneimittel) – per Gesetz apothekenpflichtig, das heißt, sie dürfen nur in Apotheken und dort nur durch Fach­kräfte abgegeben werden. Für apothekenpflichtige Waren besteht ein Selbstbedienungsverbot, um Anlass zu einem Beratungsgespräch zu geben, da Arzneimittel generell als besonders beratungsbedürftige Waren anzusehen sind. Auf der Arzneimittelpackung ist zur Kennzeichnung „apothekenpflichtig“ aufgedruckt, wenn das Arzneimittel ohne Rezept in Apotheken erhältlich ist.
  • Frei verkäufliche und apothekenpflichtige, also nicht verschreibungspflichtige Medikamente werden als rezeptfreie oder OTC-Arzneimittel (engl.: „Over the counter“, über die Ladentheke) zusammengefasst. Nach § 48 des deutschen AMG werden Medikamente dann als nicht verschreibungspflichtig eingeordnet, wenn sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch die Gesundheit des Anwenders nicht gefährden, auch wenn sie ohne ärztliche Überwachung angewendet werden.
  • 3.) Verschreibungspflichtige bzw. rezeptpflichtige Arzneimittel dürfen nur in Apotheken gegen Vorlage einer ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Verschreibung abgegeben werden, wodurch der Verbraucher geschützt werden und der Missbrauch von Arzneimitteln verhindert werden soll. Arzneimittel, die bestimmte Arzneistoffe gemäß Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) enthalten, und Arzneimittel für Tiere, die der Lebensmittelgewinnung dienen, dürfen nur auf Vorlage einer ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Verschreibung (Rezept) abgegeben werden. In Deutschland ist die rechtliche Grundlage dazu bislang § 48 AMG. Die Abgabe erfolgt bis auf entsprechend geregelte Ausnahmen durch Apotheken. Ist das Arzneimittel rezeptpflichtig, so ist die Packung mit „verschreibungspflichtig“ gekennzeichnet. Gleichwohl gilt auch für diese Arzneimittel die Apothekenpflicht.
  • 4.) Betäubungsmittel
    Betäubungsmittel dürfen nut in Apotheken und nur gegen Vorlage eines Betäubungsmittelrezeptes abgegeben werden.
Was ändert sich: Einschränkungen nicht nur für Tierhalter und Tierheilpraktiker (THP)

Da THP vor dem Gesetz als Laien gelten, gelten alle Einschränkungen für den Tierhalter gleichermaßen für den THP.
Tierhalter und THP dürfen nach Inkrafttreten des TAMG (28.01.2022) so gut wie keine apothekenpflichtigen oder frei verkäuflichen Arzneimittel mehr ohne eine Anweisung des Tierarztes verabreichen.
Die Therapievielfalt wird damit drastisch eingeschränkt, da es dann auch die meisten Globuli nur noch auf tierärztliches Rezept gibt. Ob dann noch die bestmögliche Behandlung für das Tier gewählt werden kann, ist fraglich.
Nicht verschreibungspflichtige, auch homöopathische, Arzneimittel (mit sehr wenigen Ausnahmen) dürfen also nicht mehr ohne die Verordnung und Behandlungsanweisung eines Tierarztes angewendet werden, sie müssten für die jeweilige Tierart registriert oder zugelassen sein und gleichzeitig rezeptfrei, was kaum ein Tierarzneimittel dann noch erfüllt. Wird trotzdem angewandt, begeht der Tierhalter oder THP eine Ordnungswidrigkeit, die mit Bußgeld belegt werden kann.

Es stellen sich einige Fragen:
  • Gibt es in Deutschland überhaupt noch genügend Tierärzte?
  • Steuern wir auf einen Therapienotstand zu, wenn Tierheilpraktiker das Behandlungs- und Beratungsangebot der Tierärzte nicht in gleichem Umfang wie bisher ergänzen dürfen?
  • Wie viele der praktizierenden Tierärzte verfügen über die nötige Sachkenntnis bezüglich alternativer Heilmethoden, um entsprechende Rezepte und Behandlungsanweisungen geben zu können bzw. zu wollen?
  • Ist die Komplementär- und alternativmedizinische Versorgung der Tiere gefährdet?
  • Kommt dieses Gesetz in manchen Branchen und Portfolios der Tierheilpraktiker einem (teilweisen) Berufsverbot gleich? Dieser Meinung ist jedenfalls der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags.
  • Könnte das Gesetz damit verfassungswidrig sein?

Jedenfalls wird der Einsatz der sogenannten OTC-Arzneimittel durch das TAMG drastisch sinken. Ganzheitliche Behandlungsmethoden werden teilweise oder sogar ganz ausgehebelt.

Wer ist betroffen?

Jedoch nicht nur Tierhalter und Tierheilpraktiker sind von den Einschränkungen betroffen, sondern gleich ein ganzer Wirtschaftszweig mit Arzneimittelherstellern und Arzneimittelverkäufern, Fachverlage, Ausbildungsstätten usw.
Es sind auch die Stallapotheken zu prüfen, da die Anwendung der meisten Arzneimitteln ohne die Erfüllung der neuen Vorschriften nicht mehr erlaubt ist.
Auch Tierärzte sehen das Gesetz teilweise kritisch, zum Beispiel in Bezug auf die Antibiotikabestimmungen. Politiker deuteten bereits an, dass eine Novellierung in Gang gebracht werden wird.

Konkret für THP

Verschreibungspflichtige Arzneimittel durften auch bisher nur auf ärztliche Anweisung angewendet werden.
Ist ein Stoff als Arzneimittel für Menschen erfasst und auch nur für den Menschen deklariert, darf dieser auch nur am Menschen angewandt und nicht auf das Tier umgewidmet werden.
§ 50 TAMG regelt die Anwendung von Tierarzneimitteln. Demnach dürfen alle, die nicht Tierarzt sind, Arzneimittel nur dann anwenden, wenn diese von einem Tierarzt für das jeweilige Tier abgegeben oder verordnet wurden und eine schriftliche Behandlungsanweisung erfolgte.

Liegt also keine tierärztliche Abgabe oder Verordnung mit schriftlicher Behandlungsanweisung vor, dürfen alle, die nicht Tierarzt sind, rezeptfreie (nicht verschreibungspflichtige) Arzneimittel bei Tieren nur noch dann anwenden, wenn diese für Tiere bzw. die jeweilige Tierart zugelassen oder registriert sind.
Ansonsten kann dies mit Bußgeld belegt werden.
Stellt man sich die Frage, welche rezeptfreien Mittel für Tiere zugelassen oder registriert sind, liegt die Einschränkung auf der Hand. Die betrifft Homöopathika gelichermaßen wie Schüssler-Salze, Spagyrika und Pflanzen und Kräuter, denen eine Heilwirkung zugeschrieben wird, die aber nicht explizit für die jeweilige Tierart registriert oder nur als Humanarzneimittel zugelassen sind.

Das „Aus“ für die Blutegeltherapie

Blutegel sind ein für Menschen (nicht für Tiere) vorläufig zugelassenes Fertigarzneimittel. Somit dürfen sie nicht mehr bei Tieren angewendet werden, auch vom Tierhalter nicht. Offenbar darf der Tierarzt hier auch kein Rezept oder Anwendungsempfehlung aussprechen. Tritt das TAMG in vorliegender Fassung im Januar 2022 in Kraft, ist die Blutegeltherapie am Tier Geschichte.
Auch die Neuraltherapie ist nur noch möglich mit apothekenpflichtigen Lokalanästhetika, die für Tiere zugelassen sind, wobei wieder oben genannte Bestimmungen gelten.

Wen trifft es nicht so hart

Soweit ein THP weitgehend manuell oder energetisch unterwegs ist, trifft ihn das neue Gesetz weniger hart. Pferdeosteopathie, energetische Arbeit, TCM, Lasertherapie, Magnetfeldtherapie etc. sind durch das TAMG offenbar nicht eingeschränkt, ebenso wenig Bachblüten und Kräuter oder Ergänzungsfuttermittel, die ohne Heilwirkung angeboten werden. Die alten Bestimmungen zur Abgabe und Aufbewahrung gelten hier aber weiterhin.

Wollen wir hoffen, dass die diskutierte Novellierung des TAMG noch vor Inkrafttreten zustande kommt und die Neuerungen dann auch tatsächlich Verbesserungen im Sinne der Therapeifreiheit und Breite der Anwendungsmöglichkeiten im Sinne des Tierwohls mit sich bringen.

Stand: 05.10.2021